Die AG-AG – finanzielle Bildung für Schüler:innen

Die AG-AG – finanzielle Bildung für Schüler:innen

Jeder hatte es schonmal in der Hand, aber geredet wird darüber trotzdem nicht. Natürlich geht’s um Geld. Aber warum redet man nicht darüber? Ist es nicht das normalste auf der Welt, dass man Geld braucht um sich Dinge zu gönnen oder schlichtweg ein sorgenfreies Leben zu führen? Gleichzeitig heißt es immer, dass die Schule einen aufs Leben vorbereitet. Aber wie?

„Wenn ich im Lotto gewinne,…“ solche Traumschlösser hört man häufig, dabei ist die Wahrscheinlichkeit auf den Jackpot geringer, als durch einen Blitzeinschlag zu sterben, oder Vierlinge zu bekommen, oder durch einen Getränkeautomaten zu sterben… Deutlich vielversprechender ist hingegen, sich finanziell fortzubilden. Daher möchte ich euch heute die AG-AG vorstellen. Dabei soll es aber um weit mehr, als nur Aktiengesellschaften gehen.

Auslöser – Wie alles begann

Matheunterricht in der Sek. II: Wir behandeln das Thema Exponentielles Wachstum, als von einer Schülerin der treffende Einwand kommt „Wofür brauchen wir sowas denn im Leben?“. Als Beispiel  bin ich auf die Inflation zu sprechen gekommen und der Frage, wieviel 100€ in 10 Jahren noch wert sind. Das Beispiel hatte aber nicht gefruchtet, denn niemandem war die Bedeutung der Inflation bekannt. Wenn ich 100€ für 10 Jahre in eine Schublade lege, liegen danach immer noch 100€ dort. Das Geld wird also nicht weniger, aber es weniger wert.

In der Stunde hatten wir einen kurzen Exkurs eingeschoben, bei dem jeder ins Grübeln kam. Einige Schüler:innen kamen am Ende der Stunde noch einmal zu mir und meinten, dass sie heute etwas wichtiges fürs Leben gelernt hätten. Gleichzeitig wüssten sie nicht, was sie nun machen sollten, um dem Problem der Inflation zu umgehen. So kam ich auch ins Grübeln um letztlich zu dem Schluss, eine Finanz-AG zu gründen.

Vorbereitung

Privat beschäftige ich mich schon seit längerem mit dem Thema Finanzen, da es für mich einfach zur Allgemeinbildung dazugehört. Zudem finde ich es spannend zu sehen, wie die Börse funktioniert. Wie aus etwas Geld, mehr Geld oder weniger Geld werden kann. Was gibt es für Möglichkeiten und Produkte und warum selbst die Pension eines Beamten nicht für einen vergleichbaren Lebensstandard ausreichen.

Daher habe ich ein paar Bücher geschnappt, ein paar Themen rausgesucht und eine grobe Agenda aufgestellt. Es war nicht mein Ziel, eine zusätzliche Unterrichtsreihe zu entwerfen und Frontalunterricht zu halten. Stattdessen wollte ich ein Diskussionsforum schaffen, wo interessierte Schüler:innen selbstständig Themen erarbeiten und wir gemeinsam darüber diskutieren.

Die Zielgruppe

Ich habe mich dazu entschieden, die AG nur für die Oberstufe anzubieten. Gleichzeitig war Voraussetzung, dass alle Teilnehmer mindestens 18 Jahre alt sind oder eine Einverständniserklärung der Eltern vorlegen können. Warum? Das Thema Finanzen kann schnell emotional werden und ich wollte mich am Ende nicht mit wütenden Eltern auseinandersetzen müssen, weil ich das Wort „Aktien“ in den Mund genommen habe. Für die eigenen Finanzen ist jeder selbst verantwortlich. Und Verantwortung übernehmen zu können setzt auch ein Maß an Selbstständigkeit voraus.

Zudem sollte jeder mindestens 50€ zur Verfügung stellen. Denn rein theoretische Vorträge helfen wenig, ohne letztlich ins Handeln zu kommen. Ziel war es stattdessen, dass sich jeder Gedanken darüber macht, was er/sie mit den 50€ anstellen soll und dies dann am Ende tut.

Die Agenda

Ich hatte mir einige Themen überlegt, die wir auf jeden Fall besprechen sollten. Gleichzeitig war es mir wichtig, dass wir Zeit und Raum für individuelle Themen haben. So bestand der erste Nachmittag darin, dass wie alles sammeln, was den Schüler:innen beim Thema Geld in den Kopf kam. So kamen viele Begriffe auf, wie Steuern, Rente, Versicherung, Konto, Kredite oder Aktien… aber auch aktuelle Hypethemen wie Bitcoin oder Gamestop.

Wir hatten uns anschließend darum gekümmert, die Begriffe größeren Themengebieten zuzuordnen. Mit der Zeit kamen noch weitere Begriffe dazu, die wir in unsere Mindmap hinzugefügt haben. So kamen folgende Themenblöcke zu Stande.

Der Modus

Jeder ist für seine Finanzen selbst verantwortlich. Entsprechend nützt es nichts, wenn einem alles vorgekaut wird. Wir haben uns daher auf einen Modus bestehend aus mehreren Referaten geeinigt. So wurden die Themen des aktuellen Themengebiets einzelnen Gruppen/Schüler:innen zugewiesen. So sollte sich jeder mit dem eigenen Thema auseinandersetzen und einen kurzen ~10 Min Vortrag vorbereiten. In der darauffolgenden Stunde hatten wir uns die Vorträge angeschaut und anschließend darüber diskutiert. Nach der Diskussion sollte jeder für sich dem Thema (nicht dem Vortrag) eine Einordnung geben. War es „spannend“, „uninteressant“ oder „nochmal drüber nachdenken“

Ich hatte bewusst nicht zu viele Vorträge pro Stunde eingeplant. So hatten wir nach den Vorträgen meist noch genügend Zeit, für aktuelle Fragen/Themen. Beispielsweise ging es um den Absturz einiger chinesischer Aktien, den starken Aufstieg einiger Kryptowährungen, oder auf einfach Fragen, die die Schüler:innen beschäftigt hatten, wie z.B. mögliche Studiengänge für gutverdienende Berufe.

Wie hat es funktioniert

Am Anfang war es definitiv etwas holprig. Zumal viele einfach gewohnt waren, dass die Lehrkraft immer mit einem Thema um die Ecke kommt und das dann auch schon ausgearbeitet ist. Gleichzeitig herrschte bei vielen eine gewisse Zurückhaltung, da Glaubenssatz „Über Geld spricht man nicht“ bei vielen sehr tief saß.

Gerade einer der eher schüchternen Schüler hatte etwas das Eis gebrochen und mit den ersten Themen und Fragen den Nachmittag gefüllt. Daraufhin entwickelte sich eine ziemlich spannende Gruppe und die Vorträge und Diskussionen wurden immer lebhafter.

Und die 50€? Hier hatte jeder ein anderes Vorgehen und jeder war unterschiedlich schnell. Viele hatten sich nach einiger Zeit ein Depot eröffnet und in Aktien investiert. Andere hatten alles in eine Kryptowährung gesteckt und sich die Finger verbrannt und wieder andere blieben vorsichtig und ließen das Geld auf dem Konto. Aber jeder hatte die Entscheidung aus eigenen Stücken getroffen und letztlich Verantwortung für seine Finanzen übernommen.

 

Weiterführende Materialien

  • Finanztip Schule bietet spezielle Materialien an, um Schüler:innen das Themen Geld und Finanzen näher zu bringen
  • Die WHU bietet das Börsenspiel Tradity an, mit dem Schüler:innen lernen mit Aktien und co umzugehen.
  • Über das Projekt „SCHUFA macht Schule“ können Lehrer:innen Material für einen finanzdidaktischen Unterricht bestellen
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